
Das wunderbare an einer Auszeit ist nicht etwa das in den Tag hineinleben. Das funktioniert nicht, und macht auch keinen Spaß. Ein gewisser Plan, eine gewisse Aufgabe muss schon bestehen. Wiederkehrende Rituale der täglichen Routine entstehen nach kurzer Zeit. Sei es am Abend alles für das Frühstück vorzubereiten. Klingt vielleicht komisch, aber wenn einer länger schlafen will (also nicht mit der Sonne um kurz vor 6 Uhr aufstehen will), der andere aber schon munter ist, will man durch scheppern und lärmen doch niemanden am Schlaf hindern. Also landet alles, was für den essentiellen Kaffee in der Frühe notwendig ist an der Bar von ADDO. Wir haben sie Bar getauft, die Einstiegsstufe hinter der Beifahrertür. Dort steht dann vom Zucker bis zur Espressomaschine und dem Outdoor Gaskocher alles, was notwendig ist für eine erste entspannte Tasse schwarzen Espresso.
Aber zurückkommend auf das wunderbare der Auszeit… Wir haben Zeit auch einmal dort länger stehen zu bleiben, wo es uns gefällt. Kein Druck rechtzeitig den Rückflug oder das nächste Quartier zu erreichen. Aber zugegeben, es hat auch bei uns etwas gedauert, bis wir dieses gelernt haben und den geschriebenen Routenplan eher als Empfehlung lesen als als Muss. Es hat eigentlich sehr lange gedauert. Auch solch Art von Reisen muss gelernt sein….
Daher haben wir nach der Hitze im Fishriver Canyon einfach entschlossen, etwas länger im Canyon Roadhouse zu bleiben. Nicht jeden Tag hat man einen angenehm kühlen Pool inkludiert auf der Campsite. Und einmal entspannt ein Buch zu lesen, ein paar Runden zu schwimmen tut nach den Rüttelpisten, auch genannt Straßen, richtig gut.
Apropos Straßen. Auch hier hat sich einiges geändert zwischen Südafrika und Namibia. Waren in Südafrika die Straßen großteils asphaltiert so ist es hier in Namibia eher umgekehrt. Da gibt es die schnelleren Straßen/Pisten – Nummerierung beginnend mit C und daher meistens in halbwegs gutem Zustand. Heißt für ADDO mit mindestens 70km/h über die Pisten rauschen. Dann schwimmt ADDO schön auf den Gipfeln der Querrillen (auch Wellblech genannt) und die Erschütterungen sind im angenehmen Bereich. Aber kaum etwas langsamer weil bergauf, da fliegt dann fast alles innerhalb des Autos. Bisher sind schon die eine oder andere Schweißnaht gebrochen, daher haben wir aktuell keinen Abwassertank mehr. Und der Auspuff hängt an der Drahtaufhängung besser als vorher an der Schweißnaht. Es gibt noch die einen oder anderen kleineren Schäden, aber bisher sind wir, Gott sei Dank, von wirklich groben Schäden verschont geblieben. Die Straßen mit den Nummerierungen D, na ja, manchmal etwas zermürbend – richtige Rüttelpisten. Und dann gibt es noch unzählige wirklich geile 4×4 Trails, durch Sand, durch tiefen Sand, über Stock und Stein, rauf und runter – Spaß inkludiert.
Jetzt ruft die Kalahari. Rote Dünen. Buschmänner. Aber waren da nicht noch die berühmten Köcherbäume. Daher führt uns die Route über Keetmanshoop (Hurra, eine größere Stadt. Mehrere Tankstellen. Ein Einkaufszentrum. Frisches Obst und Gemüse. KFC…) ins Garas Rest Camp. Inmitten von Köcherbäumen und Steinansammlungen liegt eine von jeglicher Zivilisation abgeschiedene Campsite. Zwei Hunde und ein freundlicher Namibier und unzählige Skulpturen einer Künstlerin inmitten der Köcherbäume begrüßen uns in dieser vermeintlichen Abgeschiedenheit. ADDO findet einen Platz im Halbschatten und wir beginnen unsere tägliche Routine mit Auto reinigen (Staub ist der tägliche Feind, aber dazu komme ich noch später), Tisch und Sessel aufstellen. Dazwischen der Griff in die Kühlbox. Einen kalten Cider namens Savanna, ein kühles Tafel oder Windhoek Lager. Der gemütliche Teil des Tages kann beginnen. Doch was ist das. Inmitten diese Ruhe rauscht ein Bus, voll von europäischen Namibia-Besuchern. Er bleibt ja in einiger Entfernung stehen. Daher relaxen wir im Halbschatten. Aber wie schon sehr oft, wenn wir auf Campsites Station machen oder Europäer treffen. Zwei Mutige aus Leipzig wagen sich vor um uns zu interviewen. Ja, das ist ein österreichisches Kennzeichen. Mit dem Schiff gekommen. Nein, fühlt sich nicht gefährlich an…… Wir haben schon überlegt, ob wir den fast immer identen Fragenkatalog zweisprachig (deutsch und englisch) ausarbeiten, ausdrucken und in solchen Momenten verteilen. Es kann mitunter nervig sein ein und dasselbe mehrmals täglich zu erzählen. Aber so ist es, und so kommen wir auch mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt und ins Gespräch, und manchmal wird dann auch das eine oder andere Getränk gemeinsam zu sich genommen. Die Nacht verbringen wir gut bewacht. Die zwei ausgewachsene Hunde (ich hoffe die Flöhe bleiben draußen) unterhalten uns bereits beim Abendessen, und werden auch von uns eingeladen beim Mahl mitzumachen. Seitdem weichen sie nicht von unserer Seite. Beide schlafen dann die ganze Nacht mit einigen Bell-Unterbrechungen (nahende Kudus und Oryx-Antilopen gehören verbellt) direkt vor unserer Aufbautüre.
Die vielen Köcherbäume rund um uns haben ihren Charme und Reiz gerade zum Sonnenuntergang und in den ersten Morgenstunden. Daher genießen wir das Frühstück in Begleitung von den Hunden in dieser imposanten Szenerie. Nach dem gemeinsamen Frühstück machen wir uns abreisefertig. Alles verstaut und verzurrt. Heute liegt der Großteil unserer Route auf der B1, einem Asphaltband vom Süden in den Norden. Erst in Mariental werden wir Richtung Osten abbiegen und in die Kalahari vordringen.
Nach 3 Stunden gemütlicher Fahrt erreichen wir Mariental und hier den geplanten Tankstopp. Jede Tankstelle ist ein Muss, denn nicht immer kann auch davon ausgegangen werden, dass Treibstoff vorhanden ist. Dies passiert nicht an den Hauptstraßen, aber in den entlegenen Gebieten kann es schon sein, dass die im Reiseführer eingezeichnete Tankstelle leider nicht mehr existiert. Und außerdem benötigen wir dringend neue Wasserreserven. Unser Trinkwasser kaufen wir in 5L Behältern. Denn unser Wasser im Tank, und davon gibt es ca. 180l, dient uns als Gebrauchswasser für Dusche, Abwasch, WC… Da es doch stärker konserviert und gechlort ist und daher nicht unbedingt gut schmeckt. Und unter den aktuellen Bedingungen (immer zwischen 38 und 42 Grad Celsius und im Auto noch etwas wärmer) benötigen wir ungefähr 4-5 Liter Flüssigkeit pro Person pro Tag. Daher werden hier nochmals einige Gallonen gekauft.
Weitere 45 Minuten (über Rüttelpiste und roten Sand) später fahren wir bei der Bagatelle Kalahari Lodge vor. Irgendwo ist uns ein Folder in die Hände gekommen. In diesem haben wir diese Lodge mit einzigartiger Campsite inmitten der roten Dünen der Kalahari entdeckt. Und auch hier steht uns ein angenehmer Pool zum Entspannen zur Verfügung. Uns bleiben noch 5 Tage, um in Windhoek anzukommen. Und Windhoek liegt faktisch ums Eck. Lächerliche 250 Kilometer entfernt. Dann kommt Besuch aus Österreich. Familienbesuch. Sohnemann hat sich mit Freundin angesagt und wird uns 2 Wochen lang begleiten.Aber bis dahin werden wir diesen speziellen Platz inmitten der Kalahari, im Land der San, der Buschmänner aufsaugen.
Da uns die Hitze doch einigermaßen zu schaffen macht und wir wieder einmal eine Nacht gut schlafen wollen (was bei Nachttemperaturen über 30 Grad nicht so einfach ist) entscheiden wir uns von der Campsite in eines der kleinen Häuser auf den Dünen zu übersiedeln. Mit etwas Geschick und aufgrund der langen Aufenthaltsdauer bekommen wir einen extrem günstigen Preis für unser Arrangement und das alles inklusive Frühstück und Abendessen und dem Wichtigsten – ein Zimmer mit Klimaanlage. Auch wenn mehrmals am Tag der Strom für einige Stunden ausfällt, wir sind ja doch mitten in der Wüste, die Temperatur in unserem Refugium ist um vieles angenehmer als im ADDO. Daher bekommt er einen fast schattigen Platz neben unserer Hütte und wird die nächsten 5 Tage so wie wir entspannen.
Wir buchen eine Ausfahrt durch das Game Reserve der Bagatelle Lodge. Und wie bestellt, wir sind an diesem Abend die einzigen Gäste. 4 Stunden lang erfreuen wir uns an Oryx Antilopen, Zebras, Gnus, Geparden, Springböcken und saugen die unzähligen roten Dünen, diese ganz spezielle halbwüstenartige Landschaft in uns auf. Zurück von der Ausfahrt gibt es den obligatorischen Sundowner (Gin Tonic) auf der Spitze einer Düne: In tollsten Rottönen verfärbt sich das Firmament und verabschiedet sich die Sonne für einige Stunden. Dafür erstrahlen innerhalb von wenigen Augenblicken die ersten hellen Sterne am afrikanischen Nachthimmel.
Auch wir wollen die Buschmänner sehen und besuchen. Leider wurde dieses Volk in Namibia im Prinzip seiner Lebensgrundlage, ihrem Land und Ihrer Tradition beraubt und eher schlecht in die bestehende Gesellschaft eingegliedert. Aus dem einstigen mobilen Jägervolk wurden vor allem billige Arbeitskräfte auf Farmen. Alkohol tut sein Übriges dazu, dass heute dieses Volk nur mehr eine Minderheit darstellt und wahrscheinlich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ganz in seiner ursprünglichen Form verschwinden wird. Nur mehr ganz wenige Buschmänner leben Ihre Tradition und Ihre Lebensweise als Jäger und Sammler in Botswana in der Central Kalahari. Wir hoffen diese auf unserer Reise noch in Botswana besuchen zu können.
Natürlich ist eine gewisse Skepsis vorhanden, wenn einem dann die Tour (zu Fuß) ins nächste Buschmanndorf angeboten wird. Nun vorweg – es ist eine Mischung aus Aufbereitung der Geschichte und Tradition für Touristen und einem traurigen Bild, zu sehen und zu erleben, wie dieses Volk durch die moderne Gesellschaft einfach geschluckt wird und die Menschen nichts als Schausteller Ihrer nicht mehr vorhandenen Lebensart sind. Die Menschen, die mit einem gewissen verbliebenen Stolz sich für Touristen wie Ihre Vorfahren kleiden, Einblick in Ihre Geschichte und Lebensweise geben, dann Stunden später als Hilfskraft im blauen Arbeitsgewand auf der Farm auftauchen – ein schaler Geschmack bleibt bei uns. Und auch die Frage, ob wir diese Menschen damit (im Speziellen mit unserem zurückgelassenen Geld) unterstützen oder eigentlich demütigen – wir finden die richtige Antwort nicht.
Nach 5 Tagen verlassen wir die roten Dünen und begeben uns in Richtung Windhoek. Ab in die Hauptstadt Namibias.
